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THEATERSTÜCKE

Foto: Stephan Walzl

Kleists Kohlhaas

in der Textfassung von Helmut Landwehr

Kleist hat seine Novelle spannend geschrieben, jedoch nicht nur durch komplizierte Sätze, die die Beweggründe des Protagonisten erschließen lassen, das Lesen verzögert und erschwert, sondern er hat noch kaum verstehbare Irritationen eingefügt und eine große Menge Personal auftreten lassen, sodass der Erzählfluss immer wieder ins Stocken gerät und die Leser(innen) über solche Hindernisse unbedacht hinweggehen.

Ein Theaterstück, das nah am Text des Autors bleiben will, versucht nicht, seiner Erzählkunst zu folgen, wohl aber herauszufinden, wie sich die Ereignisse, die personalen Beziehungen und die sozialen Verhältnisse der Novelle zu einem schlüssigen theatralen Gesamtbild fügen. Dies ist der selbst gestellte Anspruch der Inszenierung.

In der Spielzeitübersicht des Theaters steht zu dem Stück: „Dekadenz, Korruption, Mord. Der Pferdehändler Michael Kohlhaas sieht sich mit einem übermächtigen System undurchschaubarer politischer Abhängigkeiten konfrontiert, als ihm zwei Pferde willkürlich und ohne gesetzliche Grundlage abgenommen werden. Er beschließt, unter Einsatz all seiner Möglichkeiten und seines Lebens für Gerechtigkeit zu kämpfen und stößt dabei immer tiefer in einen amoralischen Sumpf vor. Plötzlich spielt ihm das Schicksal einen entscheidenden Trumpf in die Hände. Wird er Genugtuung erfahren?“

 

Premiere im Puppentheater Gera,
7. Juni 2014 um 18.00 Uhr

 

Besetzung

Alvaro Schoeck  (Regie)
Sylvia Wanke  (Szenografie, Puppenbau)
Olav Kröger (Musik)
Helmut Landwehr  (Text, Dramaturgie)

Marcella von Jan, Lutz Großmann (Spiel)

OTZ Rezension Gera

Du wirst sagen, ich bin ein Träumer - Puppentheaterpremiere in Gera.

Gera. Stell Dir vor, es gibt keine Hölle. Nichts, wofür man töten oder sterben würde, keinen Grund für Habgier und Hunger. Stell Dir all die Menschen vor, die sich diese Welt teilen. Einfach so.

Der Pferdehändler Michael Kohlhaas ist kein Träumer, als er das Schafott besteigt. Er stirbt nicht für die Bruderschaft der Menschen, sondern als verurteilter Mörder und Brandschatzer. Bevor er dazu wurde und bevor ihm großes Unrecht widerfuhr, glaubte Kohlhaas an Recht und Gesetz. Dann verlor er durch eine List zwei Rappen an Junker Wenzel, seine Frau, die mit einer Bittschrift auf das Schloss geeilt war, und schließlich seine Ehre. Und nachdem sein vielleicht einziger Traum - Recht und Gerechtigkeit sind eins - zerplatzt war, lebt Michael Kohlhaas nur noch für seine Rache.

Samstagabend feierte die Kleist-Novelle "Michael Kohlhaas" in der Bearbeitung für das Puppentheater von Helmut Landwehr Premiere in der Puppenbühne Gera. Und die eindringliche, poetische Inszenierung von Alvaro Schoeck hält fast eine Stunde lang in Atem, weil an dieser Inszenierung einfach alles stimmt: Das Stück ist klug und topaktuell erzählt, die fantasievolle Bühne und die Puppen von Sylvia Wanke sind wunderbar gebaut und lassen viel Platz für eigene Assoziationen. Die Musikbearbeitung von Olav Kröger, darunter John Lennons "Imagine"-Song, trifft genau den richtigen Ton. Vor allem aber nimmt das großartige Spiel von Lutz Großmann als Michael Kohlhaas und Marcella von Jan in den Frauenrollen gefangen.

Mal lebensgroß, mal als Schattenriss oder im Dialog mit den Puppen spielt Großmann einen hochemotionalen Kohlhaas, dessen Verzweiflung in Wut und Hass umschlägt und im Disput mit Luther ohnmächtiges Staunen vermittelt. Marcella von Jan ist in den unterschiedlichsten Rollen und mit vollem Körpereinsatz immer an seiner Seite, als geheimnisvolle Wahrsagerin und Geliebte des Kurfürsten, als Lisbeth, Luther, Hinz und Kunz.

Beeindruckend ist auch, wie Alvaro Scheock die Spannung aufbaut und die Figuren in Szene setzt. Die Dekadenz und die Korruption am Fürstenhof kennen keine Grenzen, ebenso die Vetternwirtschaft der weit verzweigten Tronka-Familie, zu der Kohlhaas Widersacher Wenzel von Tronka gehört. Sylvia Wankes schrägen Köpfe, ihre zauberhaften Schattenfiguren und ihre Live-Projektionen sind gekonnt eingesetzt und zeichnen die Charaktere punktgenau. Solche Leute kennt man doch, auch wenn sich die Namen und die Zeiten geändert haben.

Sabine Wagner / 10.06.14 / OTZ

THEATERSTÜCKE

Foto: Stephan Walzl

Kleists Kohlhaas

in der Textfassung von Helmut Landwehr

Kleist hat seine Novelle spannend geschrieben, jedoch nicht nur durch komplizierte Sätze, die die Beweggründe des Protagonisten erschließen lassen, das Lesen verzögert und erschwert, sondern er hat noch kaum verstehbare Irritationen eingefügt und eine große Menge Personal auftreten lassen, sodass der Erzählfluss immer wieder ins Stocken gerät und die Leser(innen) über solche Hindernisse unbedacht hinweggehen.

Ein Theaterstück, das nah am Text des Autors bleiben will, versucht nicht, seiner Erzählkunst zu folgen, wohl aber herauszufinden, wie sich die Ereignisse, die personalen Beziehungen und die sozialen Verhältnisse der Novelle zu einem schlüssigen theatralen Gesamtbild fügen. Dies ist der selbst gestellte Anspruch der Inszenierung.

In der Spielzeitübersicht des Theaters steht zu dem Stück: „Dekadenz, Korruption, Mord. Der Pferdehändler Michael Kohlhaas sieht sich mit einem übermächtigen System undurchschaubarer politischer Abhängigkeiten konfrontiert, als ihm zwei Pferde willkürlich und ohne gesetzliche Grundlage abgenommen werden. Er beschließt, unter Einsatz all seiner Möglichkeiten und seines Lebens für Gerechtigkeit zu kämpfen und stößt dabei immer tiefer in einen amoralischen Sumpf vor. Plötzlich spielt ihm das Schicksal einen entscheidenden Trumpf in die Hände. Wird er Genugtuung erfahren?“

 

Premiere im Puppentheater Gera,
7. Juni 2014 um 18.00 Uhr

 

Besetzung

Alvaro Schoeck  (Regie)
Sylvia Wanke  (Szenografie, Puppenbau)
Olav Kröger (Musik)
Helmut Landwehr  (Text, Dramaturgie)

Marcella von Jan, Lutz Großmann (Spiel)

Szenenfoto aus "Kleists Kohlhaas" mit Lutz Großmann und Marcella von Jan. Foto: Stephan Walzl

OTZ Rezension Gera

Du wirst sagen, ich bin ein Träumer - Puppentheaterpremiere in Gera.

Gera. Stell Dir vor, es gibt keine Hölle. Nichts, wofür man töten oder sterben würde, keinen Grund für Habgier und Hunger. Stell Dir all die Menschen vor, die sich diese Welt teilen. Einfach so.

Der Pferdehändler Michael Kohlhaas ist kein Träumer, als er das Schafott besteigt. Er stirbt nicht für die Bruderschaft der Menschen, sondern als verurteilter Mörder und Brandschatzer. Bevor er dazu wurde und bevor ihm großes Unrecht widerfuhr, glaubte Kohlhaas an Recht und Gesetz. Dann verlor er durch eine List zwei Rappen an Junker Wenzel, seine Frau, die mit einer Bittschrift auf das Schloss geeilt war, und schließlich seine Ehre. Und nachdem sein vielleicht einziger Traum - Recht und Gerechtigkeit sind eins - zerplatzt war, lebt Michael Kohlhaas nur noch für seine Rache.

Samstagabend feierte die Kleist-Novelle "Michael Kohlhaas" in der Bearbeitung für das Puppentheater von Helmut Landwehr Premiere in der Puppenbühne Gera. Und die eindringliche, poetische Inszenierung von Alvaro Schoeck hält fast eine Stunde lang in Atem, weil an dieser Inszenierung einfach alles stimmt: Das Stück ist klug und topaktuell erzählt, die fantasievolle Bühne und die Puppen von Sylvia Wanke sind wunderbar gebaut und lassen viel Platz für eigene Assoziationen. Die Musikbearbeitung von Olav Kröger, darunter John Lennons "Imagine"-Song, trifft genau den richtigen Ton. Vor allem aber nimmt das großartige Spiel von Lutz Großmann als Michael Kohlhaas und Marcella von Jan in den Frauenrollen gefangen.

Mal lebensgroß, mal als Schattenriss oder im Dialog mit den Puppen spielt Großmann einen hochemotionalen Kohlhaas, dessen Verzweiflung in Wut und Hass umschlägt und im Disput mit Luther ohnmächtiges Staunen vermittelt. Marcella von Jan ist in den unterschiedlichsten Rollen und mit vollem Körpereinsatz immer an seiner Seite, als geheimnisvolle Wahrsagerin und Geliebte des Kurfürsten, als Lisbeth, Luther, Hinz und Kunz.

Beeindruckend ist auch, wie Alvaro Scheock die Spannung aufbaut und die Figuren in Szene setzt. Die Dekadenz und die Korruption am Fürstenhof kennen keine Grenzen, ebenso die Vetternwirtschaft der weit verzweigten Tronka-Familie, zu der Kohlhaas Widersacher Wenzel von Tronka gehört. Sylvia Wankes schrägen Köpfe, ihre zauberhaften Schattenfiguren und ihre Live-Projektionen sind gekonnt eingesetzt und zeichnen die Charaktere punktgenau. Solche Leute kennt man doch, auch wenn sich die Namen und die Zeiten geändert haben.

Sabine Wagner / 10.06.14 / OTZ

OTZ Interview Gera

Kohlhaas Kampf gegen die Grobköpfe im Puppentheater Gera.

Schweizer Regisseur Alvaro Schoeck und die Stuttgarter Künstlerin und Figurenbauerin Sylvia Wanke

Foto: Stephan Walzl

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